martingrabnercompirgospeiraia
diplomarbeit  master thesis

„Der Lefkos Pirgos
ist ein Zeichen
gegen die Zeichen.“


„Lefkos Pirgos
is a sign against
the signs.“

Die abgeschliffene, standardisierte Modernität des Pirgos Peiraia stellt außer normierter und normierender
Internationalität nichts dar: nicht die Konstruktion, keinerlei Bezug zum Regionalen, zu Land oder Kultur.
Seine Funktion als Bürogebäude hat er nie erfüllt. Stattdessen hat er unfreiwillig eine andere Funktion er-
halten: die einer überdimensionalen Litfaßsäule. Er wurde zum Träger von Werbebotschaften. Seine Räum-
lichkeit verschwand, er verwandelte sich in ein Bild(träger)objekt.

Automonument

Der neue Lefkos Pirgos konzentriert sich, was seine bildliche Dimension angeht, auf seine Größe. Der
Entwurf streicht sie durch radikale Einfachheit hervor. Der Turm wird nicht verkleidet oder mit irgend-
welchen reizvollen Zeichen, Bildern oder Symbolen dekoriert. Die Wirkung als Bild in der Stadt erreicht
das Gebäude durch eine puristische Beschränkung auf seine physischen Präsenz.
In seiner reduzierten Form fügt er sich als fast schon monumentales Element in die Stadtstruktur ein. Als
solches ragt er hoch, aber ruhig und unaufdringlich aus der Gebäudemasse heraus. Der Lefkos Pirgos will
gar nicht um jeden Preis originell sein.
Das Fehlen jeder Aufschrift erzeugt ein wenig Unsicherheit. Der Lefkos Pirgos ist ein unerklärter Ort in-
mitten einer Stadt der Zeichen, in der alles beschriftet und gekennzeichnet ist. Vielleicht erzeugt er sogar
Vertrauen, weil keine Versprechen verkündet werden, denen man sowieso keinen Glauben mehr schenkt.
Keine Schrift, kein Bild definiert etwas und schließt damit auch nichts aus.
Die Undeterminiertheit des Bildes – oder besser gesagt das Bild der Undeterminiertheit – korrespondiert
mit dem nur wenig determinierten Raum. Der Raum ist für Aneignung so offen wie eine leere Leinwand
für Farben und Formen, Ideen und Experimente.
Der Lefkos Pirgos ist ein Gegenentwurf zu überdeterminierten Räumen und Formen, zu den neoliberalen,
aus der Willkür der Postmoderne erwachsenen, unbedingt originell sein wollenden, medialisierten
Repräsentationsarchitekturen.

Aus White Noise wird White Void

Das einfache weiße Erscheinungsbild des Lefkos Pirgos reagiert auf die städtische Bilderflut, den ausufernden
Gestaltungswillen in der heutigen Stadt, die um Aufmerksamkeit buhlende Architektursprache der Konzerne, in
der jedes Gebäude moderner sein will als seine Vorgänger. Als Gegenmodell zu der, sich in einem immer schnelleren
Takt überschlagenden Wellen, immer lauter werdenden Bebilderung der Stadt etabliert der Lefkos Pirgos ein White
Void. Eine nicht-dekorierte Nicht-Ente. Ein Leerraum in der übergestalteten Stadt. Der Lefkos Pirgos sticht wie
ein (weißer) Peak aus dem weißen Rauschen der Stadt heraus.
Der Lefkos Pirgos ist ein invertierter White Cube: außen neutral weiß, innen aber ist er roh. Die 35 Jahre alten
Stahlbetondecken und -stützen bilden die finale Sichtoberfläche. Die minimalistische Behandlung des Innenraums
unterstützt den Ateliercharakter des Gebäudes und fordert zur aneignenden Weitergestaltung auf. In Umkehrung
eines Museum, dessen Äußeres oft durch historische Fassaden oder neue, expressive Architektur bestimmt ist und
das innen einen neutralen Ausstellungsraum – einen White Cube – erzeugt, dreht der Lefkos Pirgos als Produktion-
sort von Kunst das Konzept des White Cube um.

(Un)Cover

Die neue Fassade umhüllt das Gebäude, seine Tektonik und seine Funktion. Wie die Verpackung eines Geschenks
macht sie auf den Inhalt neugierig, macht ihn interessanter. Nur die Schleife fehlt noch. Die Verhüllung kann als
Wertschätzung von Inhalt und Bauwerk verstanden werden. Umso näher man kommt, desto transparenter wird die
Fassade durch den Winkel des Geflechts und gibt schemenhaft seine Struktur preis.
Die Fassade reicht nicht bis zum Boden. Die weiße Hülle bedeckt, ähnlich einem über das Bauwerk geworfenen
Tuch, den oberen Teil der Lefkos Pirgos, offenbart im unteren Teil seine Konstruktion und lässt den öffentlichen
Raum unter ihm durchfließen. Unter der Hülle hindurch gelangt man unmerklich und ohne Schwelle in das Ge-
bäude. Man ist drin, bevor man merkt, dass man es betreten hat.

            

impression
theory  flipping-through
design  children of piraeus  horizontal and vertical  space: connecting  activation and identity  image: (un)cover
photoessay: perfected imperfection  poster

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